@inbook{6c424373988a441c9bc0f11e18a4df18,
title = "Utopien, Epiphanien und Melancholie: Der Norden als Erfahrungs- und Imaginationsraum in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur",
abstract = "Die lange zu bemerkende „markante Absenz der nordischen Hemisph{\"a}re als literarischer Raum“ (Uwe Sch{\"u}tte) in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur hat in den letzten Jahren ein Ende gefunden. In Texten so unterschiedlicher Autoren wie Sybille Berg, Klaus B{\"o}ldl, Melitta Breznik, Judith Hermann, Peter Stamm und Antje Ravic Strubel wird vermehrt der (skandinavische) Norden als literarischer Schauplatz in Form eines schriftstellerischen Imaginationsraums utopischer Qualit{\"a}t gestaltet. Allen Texten ist dabei gemein, dass der Norden als bewusst aufgesuchte Peripherie aufgefasst wird, die im Gegensatz zum mitteleurop{\"a}ischen Zentrum steht. In der postmodernen Welt der Globalisierung, die sich mit Baudrillard als eine die Wirklichkeit usurpierende Simulation begreifen l{\"a}sst, bietet der Norden den typischerweise mit melancholischen Z{\"u}gen gezeichneten, an Entfremdung von ihrer Umwelt leidenden Figuren als Ort r{\"a}umlicher Extremit{\"a}t die zugleich reale und befremdende Erfahrung einer Natur der Extreme, die trotz der zunehmenden Homogenisierung der vernetzten Welt Fortbestand hat und die den auch im Norden anzutreffenden bedeutungsleeren „Nicht-Orten“ (Marc Aug{\'e}) der modernen Transitgesellschaft ein Erlebnis von Sinnhaftigkeit und Urspr{\"u}nglichkeit gegen{\"u}ber stellt. Obwohl (besonders bei Judith Hermann) Zweifel ge{\"u}bt werden an der Zug{\"a}nglichkeit und emotionalen Wirksamkeit dieser Naturph{\"a}nomene, besitzen sie dennoch das Potenzial bei den auf der Suche nach ihrer Identit{\"a}t und nach Selbsterfahrung befindlichen Figuren Erlebnisse von Epiphanien auszul{\"o}sen. L{\"a}sst sich in einigen der Texte (besonders bei Peter Stamm) eine Aufl{\"o}sung der geographischen Umgebung ins Unbestimmte bzw. (bei Judith Hermann) eine bewusste Verfremdung skandinavischer Topographie verzeichnen, so werden bei Antje Ravic Strubel gar die Zuschreibungen von Geschlecht und gender vor n{\"o}rdlicher Kulisse aufgebrochen und es entsteht im Norden sowohl ein Freiraum geschlechtlicher Performanz (Judith Butler) als auch ein allgemeiner Projektionsraum f{\"u}r m{\"o}gliche Lebensentw{\"u}rfe – und f{\"u}r eine Aufarbeitung der deutschen Geschichte in Skandinavien, die noch deutlicher bei Melitta Breznik anklingt und den Norden auch als Chronotopos und postkolonialen Raum identifiziert. Ausgehend von diesen grundlegenden Merkmalen der Texte geht dieser Beitrag der Frage nach, wie vor dem Hintergrund des viel beschworenen spatial turn neue Perspektiven auf die aktuelle intensive literarische Auseinandersetzung mit dem Norden als konkreter Ort geographischer Realit{\"a}t und als r{\"a}umliche Metapher mit epistemologischer Aufladung zu gewinnen sind. ",
keywords = "German Studies, contemporary German literature, Melitta Breznik, Sibylle Berg, Peter Stamm, Klaus B{\"o}ldl, Antje R{\`a}vic Strubel, Judith Hermann, space, scandinavia, nordicity",
author = "Claudia Gremler",
year = "2012",
month = may,
day = "1",
language = "German",
isbn = "978-3-05-005652-4",
pages = "177--194",
editor = "Martin Huber and Martus, {Steffen } and Yvonne W{\"u}bben and Christine Lubkoll",
booktitle = "Literarische R{\"a}ume",
publisher = "Akademie",
note = "Germanistentag 2010 ; Conference date: 19-09-2010 Through 22-09-2010",
}